Sonntag, 27. Oktober 2013

Tiger im Debattieren

Ich hole tief Luft. " Syrian Rebellian have proven to be as violent as Assad. Rebel groups are too fragmented, to form after the civil war a decent democracy. Assad needs to be the leader, because the international community needs one general person to start peace talks. For all this reasons, I think Syria would be better off if Assad won the civil war."
Klatschen. Ich raffe meine Unterlagen zusammen und gehe auf meinen Platz. Zu meiner Rechten sitzt Tapio, mein Partner im Debattierturnier. Zusammen sind wir das Debattierteam "The Tigers". 
Zwei Tage lang haben wir unsere intellektuellen Klauen geschärft, haben gegen andere Teams, die rund vom Globus kamen, unsere rhetorischen Messer gewetzt. Nachdem ich fünf Reden gehalten habe, bin ich erschöpft, wir haben es noch nichtmal in das Semi-Finale geschafft. Aber was für ein Spaß das Ganze! Ich habe das Gefühl mir sind Millionen neuer Gehirnzellen in diesen zwei Tagen gewachsen, meine Denkprozesse laufen schneller als normal ab. Meine Arguementationsfähigkeit sind nun in meinem Gehirn im Fremdsprachenzentrum angesiedelt. Das heißt ich kann nur momentan nur noch auf Englisch politisch argumentieren, ansonsten fehlen mir deutsche Worte.
Das Prinzip ist simpel: es gibt pro Runde acht Reden, vier für das vorgegebene Debattierthema, vier dagegen. Seine Position kann man sich nicht aussuchen. Also halte ich ein leidenschaftliches Plädoyer, für den Sieg Assads in Syrien, und dass Kinder von Roma-Eltern, die sich nicht integrieren wollen, der Familie entzogen werden. Ich bin dagegen, dass man Arbeitslosenhilfe nur im Gegenzug durch gemeinnütziger Arbeit erhält und dass parlamentarische Wahlen durch ein Lotteriesystem ersetzt werden.

Was gibt es noch Neues in meinem Alltag in Finnland? Das Uni-Leben hat sich intensiviert, aber ansonsten hat sich mein Alltag hier in Turku wie in Passau eingespielt. Ich belege soziologische Seminare wie "Transnationalism and Diaspora", beschäftige mich mit den skandinavischen Sozialstaaten in der Vorlesung "Nordic Welfare States" und habe ein Referat über die Freiheit von dem James Mill in "Political Philosophy" gehalten. Ich bin immer noch begeistert von dem kollegialen und freundlichen Dozierweise, in der Veranstaltungen abgehalten werden. An deutschen Universitäten habe ich jedesmal das Gefühl das es ein große Hierarchie zwischen Professoren und StudentInnen gibt. In Turku gibt dir kein/e DozentIn das Gefühl, dass du eine kleine Studentin bist und er/sie der allwissende Greis. Im universitären Bereich in Finnland wird viel mehr Wert auf das Miteinander lernen gelegt. Ich werde nicht als Lernende mit auffüllbaren Gehirn betrachtet, das man einfach aufklappen und Wissen reinstopft. Sondern ich werde als Individuum wahrgenommen, dass intrinsisch motiviert ist zu lernen, und gerne über das Wissen diskutiert, was reingestopft wurde. Das gefällt mir. Nicht umsonst wurde Finnland neben Japan im Ranking von vor zwei Wochen als das Land mit dem besten Bildungssystem ausgezeichnet.

Samstag, 19. Oktober 2013

Witz

In der Stadtbibliothek habe ich ein Buch gefunden. Es heißt "Finnische Witze", und möchte die finnische Kultur erklären. Ich möchte sie euch nicht vorenthalten.

"Ein Tourist aus Turku wundert sich, warum vor einer Diskothek in Tampere 17 Jugendloche Schlange stehen, obwohl drinnen genügend Platz sein scheint. "Ja", erlkät ein Jugendlicher, "wir müssen 18, sein um rein zu dürfen."

Dieser Witz spielt zum Beispiel auf die nicht endend wollende Rivalität zwischen Turku und Tampere an, nach Helsinki die zweitwichtigste Stadt im Land zu sein.

Sonntag, 13. Oktober 2013

Keine Liebe in Finnland?

Zwei Einheimische  haben es mir bestätigt: man sagt in Finnland nicht "Ich liebe dich" zueinander. Mina rakusta sinun, ist eine sehr selten verwendete Formel. Noch nicht mal in Ehen oder Partnerschaften verwendet. Das ist sehr seltsam. Obwohl es ja eigentlich passt zur finnischen Seele, die alleine durch die Natur streift. Marie hat mir erzählt, dass auf ihren Wandertouren in finnischen Nationalparks, keine Finne seinen Schlafhaus teilen wollte. Hier gibt es Holzhäuser für Wanderer, in denen man frei übernachten kann, "when finns are in the nature, they want to be alone in the nature".
Dementsprechend wollen sie sich nicht in Warteschlangen berühren. In jeder Post, im Geschäft oder anderen offiziellen Stellen muss man ein Zettelchen ziehen, mit einer Nummer drauf. Dann wartet man zivilisiert bis seine Nummer aufgerufen wird.

 Einen Sicherheitsabstand zueinander einzuhalten, ist elementar wichtig für die Finnen. Deswegen laufen viele Menschen, wegen der der beginnenden Dunkelheit, jetzt auch massenhaft mit Reflektoren herum, in Tierform gestaltete Plastikdinger, die bei Licht aufblitzen. Bloß, dass man nicht zusammenstößt! (Auch ich habe mir auf Aland einen Elchreflektor gekauft, der stolz von meinem Reißverschluss baumelt).


Und natürlich passt dies auch zu der Türklingelgeschichte. Es gibt in Finnland keine Klingel am Gebäude, nur direkt an der Wohnungstür. Da sehr viele Finnen - wie in Deutschland - in mehrstöckigen Häsuern wohnen, gilt die unterste Tür als unüberwindbares Hindernis. Entweder man wartet davor, bis jemand reingeht, oder man kennt die Telefonnummer desjenigen, der drin wohnt. Haben die Finnen panische Angst, das jemand an ihre Haustür klopft? Dass ein Braunbär hineintapst?
Dazu passt die Beschaffenheit der finnischen Türschlösser: ausnahmslos sind alle Türen so gestaltet, dass wenn sie einmal zufallen, man sie nur von innen wieder aufbekommt. Das stellt nicht nur ein Problem im Hörsaal da, auch ich habe mich schon zweimal "ausgeschlossen", weil die Tür hinter mir zufiel, als ich zum Frühstück in meiner WG-Küche ging. Mit Schlafanzug musste ich damals in die Stadt zum Wohnheimsbüro fahren, um mir den Ersatzschlüssel abzuholen. Als ich in der Schlange vor dem Büro wartete, sah ich einen großen Korb mit give-aways: neongelbe Reflektoren in Schlüsselform.

Private property auf Ruissalo, einer der finnischen Inseln vor Turku




Dienstag, 8. Oktober 2013

Aland

 Aland....Insel der Felsen und Bäume!
Erik und ich haben ein paar Tage Urlaub auf Aland vollbracht. Wir haben uns Fahrräder ausgeliehen und sind kreuz und quer über die Insel gefahren, vorbei an bunten Laubblättern, Schotterstraßen, roten Holzhäusern und gaaaanz viel Meer. In Finnland sieht man niemals das offene Meer. Es sind mindestens ein paar hundert kleine Inseln davor. So gehören auch zu Aland. 6000 felsige Erhebungen die aus dem Wasser ragen. So kann man sich ungestört dem Traum hingeben, seinen eigenen Staat auf einer der kleinen Inseln zu errichten. Untertanen sind genug da: Die Elche. Die gab es massenhaft auf der Insel. Leider sind sie menschenscheu und kommen nur bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang aus dem Gebüsch, um zum Wasser zu laufen. So erzählt mir das Mädchen von der Tankstelle, dass es ständig Elchzusammenstöße mit Autos gibt. Und diese Tiere, so sagt sie, "sind rieeeesig" und breitet die Arme aus. Ich bin sehr beeindruckt, aber leider haben wir keins gesehen. Dafür umso mehr wuschlige Schafe! Jedesmal, wenn wir am Zaun stehen bleiben, hören sie auf zu kauen und betrachten uns misstrauisch. 

Ein Schaf in der Fußhängerzone von Mariehamn
Wir haben in einem äußerst niedlichen Hotel übernachtet, was das besondere Special hatte, zwei schottische Hochlandkühe im Garten zu haben. Jeden Morgen nach dem Aufstehen schauten wir als Erstes aus dem Fenster, um eines der zwei zotteligen Rinder zu entdecken. Der Anblick von zwei grasenden Kühen beim Frühstück wirkt außerordentlich beruhigend.


Weil die Zunge der Kuh so groß ist, werfe ich den Apfel lieber.

Straße, Bäume, Straße, Bäume,und....
Schafe!






Es gibt keine Strände. Nur Felsen. Und das raue Meer.


Oh ruhige Natur....!
Mariehamn, politische Hauptstadt Alands 
Politikwissenschaftlich gesehen ist Aland durchaus interessant. Die Insel gehört zu Finnland, nur leider spricht hier niemand finnisch. Die Insel gehörte einst zum schwedischen Imperium, bis sie von dem russisch besetzten Finnland geschluckt wurde. Seit 1921 hat sie den Autonomiestatus und kann beispielsweise selbstständig das Schul - und Gesundheitswesen regeln. Aber keine Steuern!
Die Alander sind gegenüber Finnland  skeptisch eingestellt, besonders seit die Partei der "Wahren Finnen" bei den letzten Parlamentswahlen einen großen Erfolg hatte. Diese wollen Schwedisch als zweite Amtssprache in Finnland abschaffen. Das wollen die Alander nicht, bemühen sich aber auch kein bisschen finnisch zu lernen. Das 30-köpfige Parlament hat beschlossen, dass Finnisch nicht Bestandteil des Schulunterrichtes ist.

So eine Gemeinschaft auf der Insel hat aber auch etwas Gutes! Jeder kennt jeden. Wenn wir im kleinen Dorfladen erzählen wo wir wohnen, grinst die Besitzerin und sagt der Schwager ihrer Schwester sei der Besitzer des Hotels. Dann fahren wir mit unseren klapprigen Fahrrädern durch das bunte Laub über die weiten Felder mit der Herbstluft nach Hause und überlegen uns, dass, wenn wir bald mal in Rente gehen, wir unbedingt ein Haus in Skandinavien besitzen wollen.


Erik hat Freunde gefunden.
Wer möchte mit uns lieber in dem Haus wohnen...

...oder in dem da?